Dienstag, 21. September 2010

X gegen Y und andere -tümeleien



Was sagt uns die Parole X gegen Y?

Der gesunde Menschenverstand suggeriert, dass X gegen Y ist, oder, in anderen Worten: X kann Y nicht leiden.

Das ist eine durchaus menschliche Reaktion auf die Existenz von Objekten, respektive deren Eigenschaften, wobei Objekte auch Lebewesen sein können. In der Regel wird bei Lebewesen nicht deren pure Existenz, sondern eher eine (oder mehrere) spezifische Eigenschaft(en) in Frage gestellt. Diese kann allgemeiner Natur sein (Antipathie), hat aber meist politische oder religiöse Hintergründe. Beide, Politik und Religion, sind Glaubenssysteme, die normalerweise auf Dogmen basieren. Da Menschen in der Regel im Einflussbereich eines spezifischen Glaubenssystems das Licht der Welt erblicken, werden ihnen die jeweils gültigen Dogmen bereits in der Schule eingetrichtert, und das Denken in ihrem Umfeld ist stark von den Maximen jenes Glaubenssyystems beeinflusst, respektive bestimmt, wenn es sich um ein totalitäres System handelt.

Allein aufgrund dieser Beeinflussung ist es kaum einem Menschen möglich, wirklich freie Gedanken zu entwickeln, die nicht auf den Maximen des Systems basieren, in denen man lebt. Elternhaus und Ausbilder prägen junge Menschen im Sinne ihres eigenen Glaubenssystems, wobei sich - in der Regel - der dominantere Teil durchsetzten wird. Mit reiner Überzeugungsarbeit kann man nur dann punkten, wenn das Gegenüber aufgeschlossen und bereit ist, das eigene Denken zu überprüfen und, gegebenenfalls, auch zu korrigieren.

Diese Denkleistung setzt jedoch eine entsprechende Ausbildung zum kritischen Denken voraus, die in der Regel nicht gegeben ist. Die Gründe hierfür sind mannigfaltiger Natur - einerseits sind kritische Menschen nicht ganz so pflegeleicht wie die Zu-Allem-Ja-Sager, andererseits kostet uns eine derartige Ausbildung sehr viel Geduld, Zeit, und, vor allem ... Geld. Spätestens bei der Kostenfrage gibt jede leistungsorientierte Gesellschaft schnell auf, und konzentriert sich auf weniger kostenintensive Lehrmodelle. Da die Massenerziehung zu kritischem Denken aus Kosten- und diversen anderen Gründen wegfällt, bleibt nur das Elternhaus oder Eigenbemühungen übrig, was meist am mangelnden Willen oder Können der Beteiligten scheitert. Eine Bildung mittels selbigem Presseerzeugnis oder exzessiver TV-Show-Genuss kann keine kritischen Denker hervorbringen, höchstens das Gegenteil davon - was durchaus Sinn und Zweck unserer Massenmedien zu sein scheint.

Mit den letzten zwei Absätzen im Sinn gewinnt X gegen Y eine neue Qualität. Es ist die Verallgemeinerung von Lehrsätzen (Dogmen) diverser Glaubenssysteme, die im Clinch um Unentschlossene ringen, und, als Mittel zum Zweck, die kristallisierte Reinform ihres Gedankengebäudes auf sehr wenige, tiefenpsychologisch äusserst wirksame Slogans gebracht haben. Die Interpretation solcher Parolen bleibt dem Einzelnen überlassen. Ob man nun alle Y ignoriert, als minderwertig ansieht oder gar den Aufruf zur totalen Vernichtung aller Y aus einer gegebenen Parole ableitet, hängt allein vom geistigen Horizont des Individuums ab, das dieser Parole eine bestimmte Bedeutung beimisst.

Daraus lässt sich ableiten, dass jede Parole vom Typus X gegen Y dazu dient, zu spalten, was eigentlich zusammengehört - zum Beispiel die Bewohner verschiedener Länder, Bevölkerungsgruppen in einem Land, Menschen verschieder Hautfarbe, Anhänger verschiedener Glaubenssysteme, et cetera. Aus gleichberechtigten Menschen werden plötzlich Gegner, Feinde oder gar Todfeinde, weil es einer verschwindend geringen Minderheit machtgieriger Menschen nicht gefällt, wenn alle Menschen halbwegs problemfrei miteinander auskommen, und etwaige Streitfragen in friedlichem Einvernehmen beilegen. Logisch - wo Friede, Freude, Eierkuchen herrscht, kauft keiner X gegen Y-Produkte, und all die tollen Fanartikel verkümmern zu Ladenhütern...

Was X gegen Y wirklich bewirkt, ist die Ausgrenzung von Menschen. Dass sich dabei jedwelches Problem verschärfen muss, liegt auf der Hand. Kaum ein Mensch ist gewillt, mit Menschen zu kommunizieren, die ihn/sie mit Parolen zu einem minderwertigen, bösen, et cetera Wesen degradieren. Eine Kommunikation ist nur möglich, wenn die Kommunizierenden auf einer Stufe stehen. So lange eine wie auch immer gewichtete Ungleichheit besteht, fehlt die wichtigste Grundlage jeglicher Kommunikation - die Anerkennung des Gegenübers als gleichwertigen Menschen. Weichen beide Seiten ohne Kommunikation von ihren Glaubensgrundsätzen nicht ab, können bestehende Konflikte (in logischer Konsequenz) nur noch per Austausch von Gewalttätigkeiten gelöst werden. Dabei setzt sich jedoch niemals die rational erarbeitete Einsicht - auch Kompromiss genannt - durch, sondern das archaische Recht des Stärkeren.

X gegen Y kann, nach streng logischer Betrachtung der Prämissen, allenfalls als Mittel zur Polarisierung dienen. Jedwelche Polarisierung führt, wie aufgezeigt, zur Verschärfung von Konflikten. Eine solche Verschärfung kann nur destruktiv sein, da die Möglichkeit einer Kommunikation, die zu einer friedlichen Beilegung zwingend erforderlich wäre, bei sich ausweitendem Konfliktpotenzial immer unmöglicher und unwahrscheinlicher wird. Das kann nicht im Sinn einer kritisch denkenden Gesellschaft sein - es passt nur in das durch die jeweilige politische Richtung festgelegte Einheitsdenken einiger Mitmenschen.

Humanistisches Denken greift mit Sicherheit viele Ziele der diversen linken Bewegungen auf, verfällt aber nicht in eine Ausgrenzung der anderen Seite(n). Auch wenn die Ziele konservativer und nationaler Gruppierungen absolut konträr zu einer vereinten Erde ohne Staaten, Grenzen und Dogmen sind, sollte man sich nicht der Möglichkeit berauben, mit den Anhängern solcher Gruppierungen zu kommunizieren, um sie mit Argumenten überzeugen zu können, die nicht von der Hand zu weisen sind.

Das ist das, was mir heute zum Thema X gegen Y einfällt. Die Grundsteine zu diesem Denken schlummerten schon lange vor 1980 in meinem Hinterkopf. Wie ich sie in meinen Texten für Mülleimer SS und Beerdigung umgesetzt habe, ist eine andere Sache, die man im Kontext der damaligen Zeit betrachten sollte. Gewalt war nie mein Ding. Obwohl ich mich meiner Haut zu wehren weiss, würde es mir nie einfallen, irgendjemanden wegen irgendeiner Sache, wie hehr auch immer, physisch zu attackieren. Das ist einfach nicht mein Stil - ich bin eher für verbale Attacken. Als solche sollten auch alle diesbezüglichen Texte gewertet werden, in denen verhauen oder das englische Wort kill vorkommen. Das war lediglich metaphorisch gemeint, im Sinne von "der gehört doch erschossen". Kein Mensch mit funktionierendem Verstand würde hier zur Pistole oder zum Gewehr greifen, um das Gesagte in die Tat umzusetzen - es ist ganz simpel eine Unmutsäusserung, die die aktuelle Stimmung zu einer Tat oder Aussage der Person wiedergibt, der sämtliche biblische Plagen an den Hals gewünscht werden.

Als völlig neuen Ansatz sollten wir uns alle vielleicht einmal dazu durchringen, das X für Y-tum einzuführen. Das ist von Haus aus wesentlich positiver besetzt und schliesst niemanden aus, für Y zu sein, obwohl man vielleicht gar kein X ist.

Das Rock gegen mich-Logo dient der Veranschaulichung der oben angeführten, streng logischen Gedankengänge. Es soll die generelle Unsinnigkeit eines X gegen Y-tums aufzeigen.


Bernhard Schornak (The Happy Gravedigger)